Einhorn gGmbh

unser erstes Logo aus dem Gründungsjahr 1999

Seit Mitte der Neunziger Jahre war ich in Berlin-Friedrichshain als Familienhelfer tätig, freiberuflich wie die meisten in Berlin – bis die grün-rote Bundesregierung 1999 ein Gesetz gegen die Scheinselbständigkeit beschloss. Nun brach Hektik aus, in den Ämtern wuchs die Befürchtung, man müsse all die freien Helfer künftig fest anstellen. Auch in den Supervisionsgruppen, an denen teilzunehmen für alle Helferinnen und Helfer Pflicht war, rumorte es.

Eine gewachsene Struktur freier Träger gab es nach der Wende in Ostberlin noch nicht, weil familienbezogene Formen der Sozialarbeit in der DDR direkt von den Ämtern oder ehrenamtlich beispielsweise vom DFD, dem Demokratischen Frauenbund geleistet worden war. Wir beschlossen in unserer Gruppe, selbst einen Verein als Träger zu gründen. Weil niemand Lust hatte, sich mit konzeptionellen Überlegungen lange aufzuhalten, buchten wir einen Beratungstermin in der Senatsverwaltung, schrieben eine Satzung, warben gute Freunde für den Vorstand, meldeten den Verein beim Registergericht an und schwups war „Einhorn e.V.“ der erste neu gegründete und arbeitsfähige Trägerverein im Friedrichshain. In der Gründungsphase führte ich für ein paar Monate die Geschäfte. Das war eine aufregende Zeit, in der wir Buchführung, Werbung, Lohnabrechnung, Sozialversicherung, Verhandlungen mit Ämtern und vieles mehr lernen mussten, zahlreiche Projekte und Experimente starteten und stetig wuchsen. Ich verbrachte Tage und Nächte im Büro, telefonierte manchmal mit zwei Hörern gleichzeitig, nervte meinen Mann im Urlaub und schrieb über lange Zeit keine Zeile an meinen eigenen Texten.

Ende 2000 schließlich fanden wir einen geeigneten und gut qualifizierten Nachfolger. 2009 passten wir die Struktur an die gewachsenen Aufgaben an, gliederten Teile in Kooperationen mit anderen Trägern (ua. Procedo) aus und wandelten den Verein in eine gemeinnützige GmbH um, deren Gesellschafter:innen bis heute Andrea Ott, Ulrich Schunder und ich sind. Die Geschäftsführer Klaus Dittmar und Roberto Heuer haben mit ihren Teams dazu beigetragen, dass Einhorn heute als freier Träger fest etabliert und mit über 120 festangestellten Mitarbeitenden und 130 Ehrenamtlichen in ganz Berlin und Brandenburg tätig ist. Seit 2020 ist Steffen Zobel, den ich seit den Gründungsjahren kenne, Geschäftsführer.

Link zur Einhorn gGmbH

neues Logo Einhorn gGmbH ab 2021

Zum 25. Geburtstag:

Ein Vierteljahrhundert ist unser Kind nun schon alt und macht uns stolz – dabei war es ursprünglich gar nicht geplant. Als Familienhelfer arbeiteten wir in den 90iger Jahren  selbstständig und „von Fall zu Fall“. Wir waren jung und dachten nicht an Familiengründung, aber als die Regierung den Kampf gegen die „Scheinselbstständigkeit“ aufnahm, fanden wir uns ungewollt in anderen Umständen.  Das Jugendamt dachte nicht daran uns fest anzustellen, sondern wollte uns loswerden, am liebsten bei einem den großen Träger aus Westberlin.
In unserer Supervisionsgruppe war schnell klar, dass wir selbst ein Kind kriegen und gemeinsam großziehen wollen. Wir „heirateten“ und nannten das Kind „Einhorn“.
 
Mit Einhorn öffnete sich für uns eine neue Welt. Was wir als Familienhelfer bei anderen diagnostizieren und therapieren konnten, sah bei unserem Kind weniger nach Erziehung als vielmehr nach Experiment und Abenteuer aus. Einhörnchen schrie, obwohl wir doch vermeintlich alles richtig machten. Klamotten, Spielzeug und Kinderbettchen besorgten wir gebraucht, das erste Kinderzimmer war eine Abstellkammer.
Kinderkrankheiten gab es, mit schrecklichen Namen wie „Lohnbuchhaltung“ oder „Vereinshaftung“. Wir stritten uns im Vorstand, manchmal wurde es laut, aber Einhorn forderte Aufmerksamkeit, lernte laufen und sprechen und mit dem Löffel essen.
Mit Schulbeginn tauchten neue Schwierigkeiten auf, es gab Lehrerwechsel und Nachhilfe, Entscheidungen für Leistungskurse und die Frage, was aus dem Kind einmal werden sollte. Geld verdienen oder studieren oder beides?
In der Pubertät wollte es nicht mehr „Einhörnchen“ genannt werden und keinen Gutenachtkuss mehr, sondern eigene Erfahrungen machen. Es wurde erwachsen und „diversifizierte“ sich. Unser Vertrauen wuchs. In manchen Dingen wurde Einhorn richtig gut, besser als wir Eltern jemals waren.
Nun bist Du, liebes Einhörnchen, pardon: liebes Einhorn schon ein Vierteljahrhundert alt. Wir lieben Dich und sind sehr stolz.
 
Holger Siemann, für die Gründer und Gesellschafter von Einhorn