Lutz ist am 22. Mai 2024 nach langer Krankheit zu Hause in seiner Wohnung gestorben. Vielen von uns war er ein guter Freund, enger Vertrauter oder liebgewordener Mitarbeiter. Er hinterlässt eine Lücke in unseren Herzen und in unserem Alltag. Wir werden ihn vermissen.
Was bleibt sind Geschichten… unsere, Eure, Lutzis Geschichten.
Bitte nehmt Euch die Zeit und schreibt ein paar Zeilen über Lutz, über ein gemeinsames Erlebnis, ein Bild in Eurer Erinnerung, einen Satz… und schickt den Text per Mail an
lutzi@schreiberey.de
Diese Geschichten müssen nicht lang oder dramatisch, typisch oder erhellend sein – jedes Wort zählt. Vielleicht ist es nur ein Blick in einer halbdunklen Bar, ein Moment mit dem Mikrofon vor der Nase, das gleichzeitige Atmen der Luft im Raum… das ist es, woraus sich unser Leben zusammensetzt.
Für die Fotos habe ich einen Ordner in der Cloud eingerichtet, mit einer Freigabe zum Bearbeiten für alle, so dass auch Fotos hochgeladen werden können:
Falls das nicht klappt, können Fotos bis max. 15 MB auch per Mail geschickt werden. Danke Holger

Alexander Kühne: „Na, Alex, wat machste?”, 30.7.2024
Von 1992 bis 1994 machte ich in der Redaktion bei tip-TV, dem Fernsehen des Berliner Stadtmagazins tip, in der Potsdamer Straße ein Praktikum und später ein Volontariat.
Ich kam aus dem tiefsten Osten, ein Dörfler wie er im Buche stand, voller Angst vor großkopferten Fernsehmachern. Lutz fiel mir sofort auf, weil er in dieses Bild passte.
Eine gestandene Persönlichkeit, die mit guten Schuhen und einem lässigen Anzugstyle durch die Flure wandelte, immer die Fluppe in der Hand. Ich erzitterte vor Ehrfurcht, als ich seine Wahnsinnsstimme das erste Mal hörte. Die kannte ich nämlich vom SFB, den ich in der DDR hörte, als die Mauer noch stand und wo Lutz Moderator war. Und dann sprach er mich auch noch an. Er zeigte Interesse an mir, an meinem Leben, an meiner Vergangenheit und er half mir manchmal beim Texte schreiben und unterhielt sich mit mir, ganz normal, ohne Standesdünkel oder irgendwelche Arroganz. Wenn wir uns später, als ich dann selbst Journalist war, in irgendwelchen Redaktionen trafen, sagte er immer zu mir: „Na, Alex, wat machste?“ Das und seine menschliche Korrektheit werden immer in meiner Erinnerung bleiben.

Ingrid, 25.7.2024
In meinen Erinnerungen an Lutz ist Sommerabend in Berlin. Die Sonne flirrt über der Schönhauser Allee, der Kopenhagener Straße, der Dänenstraße. Auch wenn manchmal Winter war oder Uckermark. Wir stehen nebeneinander, beobachten die Menschen und schweigen gemeinsam, lachen gemeinsam und reden. Diese Stimme!
Das Erinnerungsgefühl ist warm und leicht. Ich höre Lutz, immer aufmerksam, ehrlich interessiert, klug, unterhaltsam, kritisch, amüsiert und amüsant, nie banal. Vertraut. Auch wenn ich heute weiß, dass wir uns viel zu selten gesehen haben.

Martin Sellmann, 23.7.2024
Ich traf ihn 1966, wir gingen fortan zusammen in die 1. Klasse. Zu der Zeit war er etwas stämmig mit dicker Hornbrille ( so gar nicht cool). Recht schnell änderte sich das. Er wurde dünner und das blieb er bis zum Schluss. Musik wurde sehr wichtig und verband uns. Die erste Clique entstand und hatte auch lange Bestand. Später war er der erste der ein Auto hatte, einen 12m. Zu der Zeit holte er uns von zu Hause ab und wir fuhren zusammen in die Schule (fast Immer etwas zu spät). Mir fällt seine Jacke ein, dunkelblau, etwas knapp auf der Hüfte, sah cool aus. Überhaupt war sein Outfit jetzt ziemlich hipp. In Berlin fand er sich schnell zurecht. Wicklefstrasse, Moabit. Erst mit Bello, ein Jahr später mit mir. Da kannte er sich schon ziemlich gut aus. Er kochte gut und gerne. Dann zogen wir in die Pariser Straße. Wir plus 2 Frauen. Mittlerweile war der Bekanntenkreis angewachsen. Er liebte es mittendrin. Mittlerweile war es für ihn klar dass er schwul war. Ab ging’s dann oft ins Schwuz und er entdeckte neues Terrain. Gemeinsame Urlaube, Italien war da sein Lieblingsziel. Das drehte sich jetzt immer schneller. Jura war zu langweilig, lieber journalistisch arbeiten, dazu Jobs, Zille, Schwarzes Café, rosa Linde, immer mittendrin und dennoch blieb er eine treue Seele, gerade im Umgang mit seinen alten Freunden.
Seine Wohnungen wechselten, auch auf der Suche nach neuen und spannenden Situationen. Was aber immer blieb war seine treue und Zugewandheit.
Seine Zeit in der Potsdamer Straße mit Micha, bei uns im Strada, die Unmenge an Kontakten in der Szene, die sehr umfassend waren, aber immer liebevoll, charmant, witzig. Er war eben präsent, ein offenes Ohr und ein offenes Herz. Westberlin wurde zu klein. Mitte war angesagt. Auch wenn der Kontakt nun etwas weniger wurde, war er immer ein treuer Freund, nie vergaß er meinen Geburtstag und tauchte dann auch immer auf. Freute sich den Teil der Szene wiederzusehen, und immer eine Freude auch für diese Menschen. Er konnte so gut Geschichten erzählen wie aber auch zuhören. Er hörte auf zu rauchen (wohl etwas spät).die Lunge war ja schon immer seine Schwachstelle, ich glaube er hatte schon früh 2 oder 3 mal einen lungenriss. Ich erinnere mich an Besuche in Heckeshorn. So viele kleine Bildschnipsel von Lutz, die werden hoffentlich nicht verschwinden. Ich denke oft an ihn und vermisse ihn sehr.

Martin Wuttke: Lutz und Uta & Martin, 18.7.24
Ein Treffen mit Lutz endete bei Uta und mir meist mit einer leidenschaftlichen Diskussion über die aktuelle Lage in Italien.
Unvergessen die unzähligen Tips von Lutz zur gastronomischen Situation. Die berühmte vero Pizza Napoli in Neapel, auf die uns Lutz aufmerksam gemacht hat.
Wann immer wir von einem Job oder einer privaten Reise zurückgekommen sind, Lutz war immer neugierig „wie war es, wie ist es verlaufen, was waren die Highlights“. Ein grosses Geschenk ist Interesse. Dies hat Lutz geschenkt.
Wann immer ich ihn gesprochen habe und um sein Ohr bat, war er da…..nicht immer war es sein Fachgebiet, so dass er dann sagte „Tja da muss ich erst mal drüber nachdenken“, aber die Tatsache ihm ein Problem oder eine Situation zu schildern hat bei mir immer für Klarheit im Kopf gesorgt.
Das war immer eine große Hilfe.
Während ich dies schreibe denke ich an sein VERSCHMITZTES Lächeln……….hintersinnig, wissend, ernsthaft, aufmunternd, und oft mit einem Schalk verbunden.
Angelika Ehrlich, gemeinsame Kindheit







Matthias Frings: Lutz teilte nicht aus, er sammelte ein
Zuerst war Lutz Ehrlich für mich nur ein Koch in einem gemütlichen Szenerestaurant im Umfeld des Klausener Platzes und nicht der Reporterkollege beim SFB-Hörfunk, dem ich wenige Jahre darauf fast täglich auf den Fluren im Funkhaus Masurenallee begegnen würde. Und nicht nur dort – aber dazu später.
Im Jahr 1981 arbeiteten Elmar Kraushaar und ich an unserem Buch „Männer. Liebe. – Ein Handbuch für Schwule und alle, die es werden wollen“. Unter anderem planten wir eine Fotostrecke mit schwulen Männern an ihrem Arbeitsplatz. Wir wollten zeigen, dass Schwule überall zu finden sind, nicht nur als Friseur oder Dekorateur. Gar nicht so einfach, denn damals wollte sich nicht jeder als Schwuler in einem Buch verewigt sehen. Lutz hingegen wäre es nie in den Sinn gekommen, sich zu verleugnen. Also machten wir dieses schöne Foto von ihm am Herd. Wie vergnügt und hoffnungsfroh er da den Löffel schwingt. Und wie jung er ist.

Wir hatten viele gemeinsame Bekannte, sahen uns hier da, aber näher lernte ich ihn erst bei der Arbeit als Reporter im Hörfunk kennen, als mir die ausschließliche Arbeit am Schreibtisch zu einsam wurde und ich mich nach einem zweiten Standbein und nach Kollegen sehnte. Einer davon war Lutz. Ohne Lobhudelei kann man sagen, dass er der beste Kollege war, den man sich vorstellen konnte. Stets gutgelaunt, immer busy, neugierig und von fast pathologischem Optimismus. Im Gegensatz zu manch anderen Kollegen hatte ihn weder die grassierende öffentlich-rechtliche Lethargie ergriffen, noch pflegte er die Kunst des Giftspritzens, servierte lediglich hin und wieder ein mit einem kleinen Lächeln garniertes Bonmot.
Lutz teilte nicht aus, er sammelte ein. Stets lautete seine erste Frage: „Was gibt’s Neues? Was hast du gemacht, gesehen, erlebt?“ Allzu detaillierte Antwort, beispielsweise auf die Frage nach meinem letzten Besuch in einem Restaurant, führte in einem Fall dazu, dass ich tags drauf das Radio einschaltete und Lutz kundig über ebendieses Restaurant parlieren hörte: Eine Restaurantkritik in exakt meinen Worten. Wahrscheinlich hatte er wieder mal einen Beitrag mit der heißen Nadel stricken müssen, aber er tat das mit so viel Chuzpe, dass man ihm nicht böse sein konnte.
Das Erste, was mir einfällt, wenn ich an Lutz denke, ist jedoch etwas anderes, etwas scheinbar gänzlich Gewöhnliches. Lutz war ein Gebrauchsgegenstand, denn es brauchte ihn, damit ein Abend sich rundete. Für mich war seine Existenz, sein Auftauchen, seine Stimme und sein tiefes, heiseres Lachen so selbstverständlich wie das Amen in der Kirche. Wie oft bin ich abends mit Freunden oder allein um die Häuser gezogen, und wenn man ihm nach mehreren Stunden noch nicht begegnet war, sagte irgendjemand bestimmt: „Wo steckt denn Lutz Ehrlich? Ist heute Abend noch gar nicht aufgetaucht.“ Selten dauerte es dann lange, bis sich in irgendeiner Kneipe zwischen Strada im Westen und Schall und Rauch im Osten die Tür öffnete und er grinsend eintrat, meist mit einem charmanten jungen Herrn an der Seite. Flugs hatte er eine Zigarette in der einen und ein Glas Sauvignon Blanc in der anderen Hand. In späteren Jahren wurden die Zigaretten gestrichen und aus den Gläsern Wein wurden halbe, dafür gerne zwischen acht und sechzehn.
Lutz Ehrlich war Lutz Ehrlich. Lutz war einfach da, er gehörte dazu. Er war ein unabdingbarer, geliebter Bestandteil unserer Berliner Welt. Ein Abend ohne ihn war kein Abend, ein Abend ohne ihn war nicht vorstellbar – und er ist es bis heute nicht.
Foto von Massimo, Bologna 1982/1983


Besuch auf dem Friedhof

Adresse
Georgen-Parochial-Friedhof I: Der Eingang zum Friedhof befindet sich in der Greifswalder Str. 229, 10405 Berlin
Urnenstele
Im Hintergrund oben die Kapelle, links das kleine Café an der Greifswalder, Lutzis Grab ist also ganz einfach zu finden


